Die Sporrerkeller in Freising. Teil 2

16.04.2018 von Hermann Bienen

Perfekte Räume zur Lagerung von Märzenbier

Foto oben: Eineisen an den Furtner Weihern (Anton Lamprecht, Freisinger Maler), Bayerische Staatsgemäldesammlung München

Aufbau und Funktionsweise der Märzenkeller

Diese Märzenbierkeller waren sehr komplexe und bestens durchdachte und konstruierte Produktionsräume. Meist, wie auch hier bei den Sporrerkellern, bestand ein Märzenkeller aus mehreren hintereinander liegenden Kellerräumen, die voneinander durch große und stabile Tore getrennt waren. Alle Abteilungen besaßen je einen Be- und einen Entlüftungsschacht an der Gewölbedecke, der bis an die Erdoberfläche reichte. Diese waren mit einer Abdeckung versehen, die entsprechend der Windrichtung und dem benötigten Luftdurchsatz ausgerichtet werden konnten. Der erste Keller diente als Vorraum, in dem auch die Fässer für die Wirte abgefüllt wurden. In den übrigen Kellerräumen lagerte das Märzenbier in großen Holzfässern. Meist besaß ein solches Kellersystem einen zusätzlichen kleineren Eingang, über den das Personal in die Keller gelangen konnte, ohne dass dabei zu viel Kälte entwich. Bei kleineren Kellern lagen die Holzlagerfässer an einer Kellerseite auf „Schragen“ (Holzbalken) oder „Ganter“ (Holzböcken). Bei den größeren Kellern befanden sich die Fässer an beide Seiten der Kellerwände entlang in einer Reihe, wobei  jeweils auch ein Fass oben zwischen zwei darunter liegende Fässer aufgesattelt werden konnte. In der Mitte gab es einen breiten Arbeitsgang mit zwei Ablaufrinnen, die direkt vor der Fässerfront entlang liefen. Über diese konnten das sich bildende Eiswasser, das Vor- und Nachlaufwasser bei der Fassbefüllung- und Entleerung, Bierreste, sowie auch die sich während der Nachgärung bildende Kohlensäure ins Freie ablaufen. Die Regelung des Abflusses erfolgte über einen Verschluss, der je nach Intensität der Nachgärung in den Fässern sowie der Arbeitsabläufe nur zeitweise von Hand geöffnet wurde, da bei einer Daueröffnung die Kälte aus den Kellern entwichen wäre. Andererseits musste das sich während der Nachgärung des Bieres bildende und sich auf dem Kellerboden ansammelnde Kohlendioxid (Kohlensäure) abgeleitet werden, da dieses in höherer Konzentration beim Kellerpersonal zum Tod durch Ersticken führen konnte. 

Lagerkeller mit Holzfässern (Wasserburger Kellerfreunde), Foto: Hermann Bienen 2009

Eiskellertechnik

Die Sporrerkeller wurden zwischen 1810 und 1830 als Gewölbekeller in Ziegelbauweise errichtet. Sie waren jedoch noch nicht, wie später allgemein üblich, mit eigenen Eisräumen oder Eiseinwurfmöglichkeiten über Schächte ausgestattet. Das notwendige Natureis zur Kühlung der Lagerkeller und des darin liegenden Märzenbieres wurde im Winter aus den umliegenden Eisweihern wie bspw. dem naheliegenden Furtnerweiher an der Moosach geholt. Das Eis legte man anfangs um und auf die Lagerfässer, so dass diese voll in Eis eingepackt waren. Später trennte man einen Teil des Kellers mit einer Holzwand ab und füllte diesen mit Natureis auf. Die kalte Luft lief hier über regelbare Luken in der Holzwand in den Raumteil, in welchem die Bierfässer nun ohne Eis lagerten, und kühlten diese ab. Das hatte den Vorteil, dass über die gesamte Lagerzeit Proben aus allen Fässern genommen und laufend die Bierqualität geprüft werden konnte. Bei genügend großem Eisvorrat, reichte das Eis bis in den Monat Juni hinein. Gegen Ende des Sommers war man dann froh, wenn die Temperatur des Bieres in den Lagerfässern nicht über 10° Celsius angestiegen war. Schlecht war ein warmer Winter ohne oder mit sehr wenig Eis, was dann zu entsprechenden Problemen beim Märzenbier führte. Denn bei höheren Temperaturen und einer nicht äußerst sauberen Arbeitsweise bei der Herstellung und Lagerung des Bieres wurde dieses schnell sauer und war dann nicht mehr verkaufsfähig.

Lagerkeller mit Eis, unbekanntes Foto um 1950

 

 

Das Auskellern und Pichen der Fässer

Nach dem Entleeren eines Lagerfasses wurde das Geläger (abgesetzte Hefe) entfernt und das Fass über das „Fasstürl“ geschlupft und innen und außen mit Schrubber und Wasser gereinigt. Einmal im Jahr mussten die bis zu 50 Hektoliter fassenden Holz-Lagerfässer aus den Kellern gebracht, überprüft, gereinigt, und neu gepicht werden. Dies geschah bei dem Fasshaus, das sich direkt vor dem Eingang der Keller am Veitsberg befand (heute kleiner Parkplatz an der Ecke Vöttinger Straße und Weihenstephaner Straße). Hierzu entfernte man bei den Lagerfässern einen der beiden Fassböden, legte einige Pechbrocken sowie Stroh in das Fass, und zündete dieses an. Mit einer Krücke wurde das Feuer verteilt und das schmelzende Pech solange aufgerührt, bis es flüssig geworden war und zu brennen begann. Dann warf man das brennende Pech mit der Krücke im Fass auseinander. Das ganze Fass stand nun innenseitig in Flammen, da auch das alte Pech an den Fasswänden zu brennen anfing und flüssig wurde. Zum Beenden des „Ausbrennens“ legte man den Fassboden wieder dicht an das Fass, so dass das Feuer im Fass erstickte. Nach dem Einsetzen des Fassbodens stabilisierte man das Holzfass durch „Antreiben“ der  Fassreifen und verschloss das Spundloch mit einem Holzzapfen (Spund). Anschließend rollte man die Lagerfässer im Hof herum und „schepste“ sie (seitliches Anheben bzw. auch über Kopf rollen), bis sich das heiße Pech gleichmäßig über die Innenwand verteilt hatte und fest geworden war. Dann wurden die Fässer wieder in die Keller gebracht. Auch die kleineren Transportfässer für die Wirte wurden jährlich neu gepicht.

Fasspichen, Die Kunst der Photographie 1900

Das Lagern und Abfüllen des Märzenbieres (Sommerbieres)

Nachdem das letzte Sommerbier Ende Oktober/Anfang November getrunken war und die Lagerfässer leer waren, wurden die Tore der Märzenkeller geöffnet, um diese in den Wintermonaten mit Hilfe der Nachtfröste auf Temperaturen um und unter den Gefrierpunkt abzukühlen und sie auch auszutrocknen zu lassen. Das neue Winterbier (Schankbier) durfte ab Michaeli (29. September) eingebraut werden und konnte spätestens Ende Oktober ausgeschenkt werden. Dieses Bier wurde nur kurzzeitig im Schankbierkeller der Brauerei gelagert, bevor es zum Verkauf kaum. Mit dem Sieden des Sommerbieres wurde (neben dem Winterbier) meist erst im Dezember begonnen. Das im Gärkeller der Brauerei vergorene „Jungbier“ fuhr man anschließend in einem „Fuhrfass“ zu den Sommerbierkellern. Nach dem Befüllen der Lagerfässer wurden die Tore zu den einzelnen Abteilungen fest verschlossen und so abgedichtet, dass keine Kälte entweichen konnte. Schließlich sollte das bis spätestens Georgi (23. April) eingebraute Märzenbier den ganzen Sommer über bis in den Oktober hinein seine Qualität behalten. Das richtige Befüllen und „Spunden“ der Fässer sowie die Überwachung während der langen Lagerung über die Sommermonate hinweg erforderte großes Fachwissen und sehr viel Erfahrung. Dies oblag dem Braumeister, der im Gegensatz zum übrigen Brauereipersonal das ganze Jahr über fest in der Brauerei angestellt war. Neben ihm waren in der Sommerzeit nur ein Lehrbub sowie bei Bedarf Hilfspersonal zum Abfüllen des Bieres auf die Wirtefässer im Fasshaus und in den Kellern tätig. Die übrigen Bräuburschen verdiente sich den Sommermonaten ihren Lebensunterhalt meist als Maurer oder als Tagwerker in den unterschiedlichsten Berufen.

Dieser Beitrag erschien ebenso im Stadtmagazin FINK, Ausgabe September 2017. Für diesen und den ersten Teil (September 2016) siehe Veröffentlichungen.

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