Weinland Altbayern. Zur Geschichte des heimischen Weinbaus, insbesondere durch die Freisinger Bischöfe
22.02.2019 von Joachim Eder
Seit die Römer auch diesseits der Alpen Weinreben eingeführt hatten, um die Legionäre bei Laune zu halten, galt (Alt-)Bayern über Jahrhunderte als ausgesprochenes Weinland. Die Klöster pflegten den Weinbau hingebungsvoll und auch die Wittelsbacher-Herzöge ließen sich aus ihren Besitzungen den sogenannten Baierwein in ihre Münchner Residenz liefern. Baierwein nannte man in Abgrenzung zum Frankenwein den in Altbayern ehemals angebauten Wein. Erst Klimaveränderungen im späten 16. Jahrhundert sowie die Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) machten der altbayerischen Weintradition ein – vorläufiges – Ende. In der Folgezeit setzte sich das billiger produzierbare Bier durch, das den Landesherren nicht zuletzt auch ein höheres Steuerauf kommen versprach. Die Geschichte des Weinbaus in Altbayern ist – und das ist angesichts der Tatsache, dass Bayern in aller Welt als das Bierland schlechthin angesehen wird, gut verständlich – ein bisher fast unbekanntes Thema.
Die Römer brachten den Weinanbau nach Bayern
Der Weinbau in Altbayern, besonders an den Südlagen der Donau, dürfte bereits in der Römerzeit begonnen haben, wenngleich archäologische Zeugnisse von Beweischarakter hierfür fehlen. Erste urkundliche Erwähnungen des Weinbaus gehen auf das 6. und 7. Jahrhundert n. Chr. zurück. Der wohl eindrucksvollste Beleg für den frühmittelalterlichen Weinbau in Bayern findet sich in der um 765 entstandenen Emmeramsvita des Bischof Arbeo von Freising. Er spricht in der Vita des hl. Emmeram von Regensburg bereits von der „regio Baiovariorum viniferax“, d. h. „das weintragende Land der Bajuwaren“. Arbeo berichtet, dass Bischof Emmeram sich, als er um 680/690 aus dem Frankenreich nach Bayern kam, dort umsah und erkannte: „Es war sehr gut, lieblich anzusehen, reich an Hainen, wohlversehen mit Wein. Es besaß Eisen in Hülle und Fülle und Gold, Silber und Purpur im Überfluss.“
Die ersten Weinberge der Freisinger Bischöfe im Isar- und Ampertal
Die ältesten verfügbaren Quellen verzeichnen bereits um das Jahr 750 Weinberge im Besitz der Freisinger Bischöfe, sowohl im Ampertal als im Traungau südlich von Linz. Damit hatten die Freisinger Bischöfe zu dieser Zeit auch schon Besitz in größerer Entfernung, der wohl eine bessere Qualität versprach. Für den Weinbau im Freisinger Umland gibt es aus dieser Zeit einige historische Belege: Am 24. Juni 754 schenkte der Adelige Timo zur Unterstützung der von ihm gestifteten Kirche in Thulbach (heute Gem. Wang) all seinen Besitz in diesem Ort an die Freisinger Kirche, darunter auch alle seine dortigen Weinberge. Etwas später, für das Jahr 772, wird berichtet, dass der bajuwarische Adelige Romuald seine Weinberge in „Perge“ (wohl heute Bergen, Gem. Haag a. d. Amper) an den Bischof von Freising vermachte. Am 16.11.777 ist eine Freisinger Urkunde datiert, die das Vermächtnis des bajuwarischen Adeligen Toto regelt. Auch er übergibt seinen Nachfahren Weinberge in „ad Holce“ (wohl heute Holzen, Gem. Zolling) und „ad Isna“ (wohl Raum Moosburg). In den Jahren 814 bis 829 erwarb Bischof Hitto verschiedene steile Waldstücke in der Hallertau, so in Preinerszell (Gem. Schweitenkirchen) und in Geisenhausen. Seine Intention war vermutlich – was allerdings nicht letztendlich belegt ist – die Anlage von Weinbergen. Bischof Waldo tauschte um 890 Besitztümer nördlich von Freising mit dem Adeligen Adalfried und gelangte so in den Besitz des wohl relativ großen Weinbergs im erwähnten Ort „Holce“.
Fernbesitz für die Qualitätsweine
Da der Wein aus heimischer Produktion wohl nicht immer den Ansprüchen der Freisinger Geistlichkeit genügte, bemühte man sich bereits sehr früh um Besitzungen in klimatisch günstigeren Weinlagen. Im Jahre 720 n. Chr. ließ der hl. Korbinian, der erste Bischof von Freising, Weingärten im Südtiroler Burggrafenamt bei Meran anlegen. 776 wird Bischof Arbeo von Freising ein Weinberg bei Polsing in Oberösterreich als Geschenk übergeben. Seit dem 9. Jahrhundert besaß die Freisinger Kirche zudem Weinberge bei Bozen. In dieser Zeit kommen auch noch solche in der Region um den Plattensee hinzu. Trotz der hohen Transportkosten scheint man wohl am Hof der Freisinger Bischöfe auch Wert auf Wein hoher Qualität aus klassischen Anbaugebieten gelegt zu haben. Der Erwerb eines Hafens an der Donau bei Lengfeld westlich von Regensburg im Jahr 856 durch Bischof Anno von Freising deutet bereits in die Richtung einer selbständigen Schifffahrt, mit der auch die Weinlieferungen nach Freising sichergestellt werden sollten.
Weingärten in Gries b. Bozen, vom 9. Jahrhundert bis 1908 im Besitz der Freisinger Bischöfe (c) Gehadad [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)]
Hochmittelalter: Der Weinbau im Isartal auf seinem Höhepunkt
Trotz des vielen teils weit entfernten Weinbergbesitzes vernachlässigte man auch die heimische Produktion nicht. Große Stücke hielten die Freisinger Bischöfe trotz des stattlichen Weinbergbesitzes in Südtirol auch auf ihre Isarweinberge zwischen Freising und Moosburg. In diesem Zusammenhang werden schon zu Beginn des 11. Jahrhunderts in der Umgebung auch Orte wie Großen- und Kleinviecht (heute Gem. Marzling), Bergen bei Inkofen im Ampertal, aber auch Schönbrunn im heutigen Landkreis Dachau erwähnt, einige Jahrzehnte später kommen im Raum Freising auch Peterswahl (heute Gem. Hörgertshausen) und Gammelsdorf dazu. Aus dem Jahr 1075 ist überliefert, dass Ritter Heriman von Gammelsdorf jedes Jahr ein Fuder Wein aus den Weingärten von Tondorf (heute Gem. Bruckberg) zustand. Durch die vielen Traditionen an die neuen und bestehenden Klöster können wir auch im 12. Jahrhundert eine erhebliche Intensivierung des altbayerischen Weinbaus im Isartal zwischen Freising und Landshut, im Donauraum um Regensburg, und im unteren Inntal feststellen. Weinbergbesitz des Hochstifts Freising findet sich noch in dieser Zeit in Berghofen, Gammelsdorf, Ried, Weng und Wang. Der Isartaler Wein muss also ein beliebtes Getränk in dieser Zeit gewesen sein. Die Isarhänge zwischen Freising und Landshut waren voller Weinberge.
Weinbau am Freisinger Domberg
Zu welchem Zeitpunkt der sonnige Südhang des Freisinger Dombergs mit Rebstöcken bepflanzt wurde, lässt sich nicht genau sagen. Im Hinblick auf die Tatsache, dass man ja noch in frühmittelalterlicher Zeit an etlichen Hängen im näheren Umkreis der Stadt, im Isar- und Ampertal, Weinbau betrieben hatte (vgl. oben), ist es anzunehmen, dass der Südhang – zumal wegen seiner nahen Lage – entsprechend früh als Weinberg genutzt wurde. Einen Hinweis über die Lage und das Aussehen des Freisinger Weinbergs liefert erst die bekannte Süd-Ansicht von Matthaeus Merian von 1642. Der Weinbau wurde dort schließlich zu Beginn des 18. Jahrhunderts aufgegeben. Entsprechend der alten Weinbau-Tradition hat man am Domberg 2009 wiederum einen kleinen Weingarten angelegt (vgl. nachfolgenden Bericht).
Die Weinzierln und der Baierwein
Die Anbauflächen werden von den Lehnsherren als Lehen an die Weinzierl (Weinzerzieher) genannten Winzer vergeben, die je nach Vertrag bis zu 2/3 des Weines an die Grundherrschaft abgeben müssen. Wird mit dem Weinbau zunächst nur der Eigenbedarf gedeckt, so sind in dieser Zeit allmählich auch die Anfänge des gewerblichen Weinbaus zu erkennen. Im Jahr 1271 wird der Baierwein erstmalig als solcher namentlich erwähnt. Mit dem Anwachsen des klösterlichen und weltlichen Grundbesitzes nimmt die Produktion an Baierwein zu. Allein die Stadt Regensburg besitzt im Jahr 1509 42 Weingärten. Allerdings werden bei aufblühendem Fernhandel im Herzogtum Bayern auch zunehmend Weine anderer Provenienz bekannt und beliebt. Regensburg, das Zentrum des Baierweins, entwickelt sich zu einem Hauptumschlagsplatz, mit Weinlände, Weintor und Weinstadel an der Donau. Allerdings wird immer mehr mit Weinen aus Österreich, Südtirol, Italien und Württemberg gehandelt. Der Baierwein aus dem Donau- Isar- und Inntal wird eher als Volksgetränk aufgefasst, besitzt bei relativ geringer Güte keine überregionale Bedeutung und wird damit auch nicht zum Exportschlager.
Aber immerhin lassen die Wittelsbacher-Herzöge alljährlich um die 40.000 Liter Baierwein in ihre Münchner Residenz liefern, bei der berühmten Landshuter Hochzeit im Jahr 1475 werden 170 große Fässer, d. h. ca. 300.000 Liter Baierwein getrunken. Der bayerische Geschichtsschreiber Johann Georg Turmair, genannt Aventinus, vermerkt um 1530 über den Bayern: „Der gemeine Mann aus dem Gäu sitzt Tag und Nacht beim Wein“. Wein war aber im Spätmittelalter mehr als ein reines Konsummittel. Er fand in der Liturgie Verwendung, war Medizin und diente repräsentativen Zwecken.
Niedergang des Weinbaus im Isartal
Unter verschiedenen Aspekten erweist sich das späte 15. und beginnende 16. Jahrhundert als eine Zeit tiefgreifender Strukturveränderungen im Weinbau. Schlechte Ernten und zunehmende Abgaben an die Grundherren trieben viele Winzer in den Ruin. Die weitverbreitete Einschätzung vom späten Mittelalter als „Saufzeitalter“ trifft nicht zu. Ab ca. 1600 erhält der Baierwein zunehmend Konkurrenz durch das bayerische Bier, welches bereits in brautechnischen Varianten (ober- und untergäriges Bier) hergestellt wird und wenig witterungsabhängig produziert werden kann. Dagegen gehen nach mehreren Missernten in den relativ kühlen Jahren zwischen 1553 und 1628 die Anbauquoten des Baierweins deutlich zurück. Hinzu kommt, dass im Rahmen der Reformation viele Klöster aufgelöst werden und damit als Förderer des Weinbaus entfallen. Einen entscheidenden Einbruch erfährt der altbayerische Weinbau durch den Dreißigjährigen Krieg. Am Ende des Krieges ist die Bevölkerung Altbayerns dezimiert, zahlreiche Weinberge sind zerstört oder liegen brach, viele Weinbauern haben den Krieg nicht überlebt oder geben auf. Nach einer zwischenzeitlichen Reaktivierung des Weinbaus im 18. Jahrhundert erfahren Nachfrage und Absatz des Baierweins einen weiteren Einbruch durch die Konkurrenz, die sich durch den Zuerwerb neuer Landesteile ergibt. Dies betrifft in erster Linie die Vereinigung des Kurfürstentums Bayern mit der Kurpfalz im Jahr 1777 und die Akquisition des Frankenlandes nach Gründung des Königreichs Bayern im Jahr 1806. Obendrein wird das bayerische Bier als Volksgetränk zunehmend beliebter, wohingegen dem aus der Mode gekommenen Baierwein viele ungünstige Eigenschaften zugeschrieben werden, vor allem ein zu hoher Säuregehalt. Wohl auch aufgrund der seit Ende des 16. Jahrhunderts einsetzenden Klimaabkühlung („Kleine Eiszeit“) wurde ähnlich anderen Orten in Mitteleuropa auch in der Gegend von Freising der Weinbau zu Beginn des 18. Jahrhunderts aufgegeben. Die über 1000jährige Weinbautradition in Freising und dem Umland fand damit ein Ende. Im Jahr 1853 beträgt die Gesamt-Anbaufläche des Baierweins nur noch 180 ha (davon 166 ha in der Oberpfalz im Raum Regensburg, 13 ha in Niederbayern vor allem im Raum Landshut, 1 ha in Oberbayern), in Unterfranken dagegen 10.465 ha und in der Rheinpfalz 10.076 ha. In der heutigen Zeit erlebt der Weinanbau in Altbayern eine Renaissance, auf den Weinbergen in Besitz der Stadt Regensburg und einiger Winzer in der dortigen Umgebung wird auf einer Fläche von 3,8 ha wieder traditioneller Baierwein gekeltert und unter der Marke „Regensburger Landwein“ vermarktet.
Erstmals veröffentlicht im FINK-Magazin 10/2011 (vgl. Veröffentlichungen)
Weiterführende Literatur: